Bundesgericht:

Kein Recht auf Selbsttötungsmittel vom Staat

Schwerkranke Menschen haben nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kein Recht, vom Staat Zugang zum Selbsttötungsmittel Natrium-Pentobarbital zu erhalten. Für Menschen, die ihr Leben beenden wollten, gebe es andere zumutbare Wege, entschieden die Richter am Dienstag in Leipzig. Dem Recht des Einzelnen auf selbstbestimmten Tod stünden wichtige Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Bevölkerung vor Miss- oder Fehlgebrauch des tödlichen Medikaments gegenüber.

Die Richter verwiesen darauf, dass Sterbewillige über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu anderen (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln erhalten könnten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann. Auch hätten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 zur Suizidbeihilfe mehrere Sterbehilfeorganisationen ihre Arbeit wieder aufgenommen.

Das Bundesverwaltungsgericht betonte, dass das Betäubungsmittelgesetz eine Ausgabe von Medikamenten nur zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden erlaube. "Eine solche therapeutische Zielrichtung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht." Zudem verfolge das Gesetz auch das legitime Ziel, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern und die Öffentlichkeit zu schützen.

Zwei schwerkranke Männer aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen hatten seit 2017 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn die Erlaubnis verlangt, Natrium-Pentobarbital erwerben zu dürfen. Damit wollen sie sich zu Hause im Kreise ihrer Familien selbst töten können, wenn sich ihr Zustand dramatisch verschlechtert. Die Kläger beriefen sich auf ihr verfassungsrechtlich zugesichertes Persönlichkeitsrecht, das auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben einschließe. Doch das Bundesinstitut lehnte die Erlaubnis unter Verweis auf das Betäubungsmittelgesetz ab. Das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht in Münster bestätigten diese Rechtsposition.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz und die Deutsche PalliativStiftung begrüßten das Urteil. "Beamte bekommen also nicht die Aufgabe, über Leben und Tod zu entscheiden", sagte Patientenschützer Eugen Brysch. "Schließlich gibt es ausreichend alternative Selbsttötungsmittel." Damit werde auch die Absicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vereitelt, eine Regelung zur Abgabe von Pentobarbital zu konstruieren. "Jetzt ist jedoch der Bundestag gefordert, ein Verbot der kommerziellen Hilfe zur Selbsttötung auf den Weg zu bringen", forderte Brysch. Ebenso müssten Sterbehelfer persönlich dafür haften, die Selbstbestimmung des Sterbewilligen zu garantieren.

Für die PalliativStiftung erklärte der Vorstandsvorsitzende Thomas Sitte, Suizidmittel nach Wunsch trügen zu einer Enthumanisierung der Gesellschaft bei. "Was wir zuallererst brauchen, ist ein Abbau von Fehlversorgung und eine flächendeckende Verfügbarkeit schneller Leidenslinderung bei schwerkranken Menschen."

Bereits 2017 hatte dasselbe Bundesverwaltungsgericht das Recht von schwerstkranken Patienten auf einen selbstbestimmten Tod gestärkt. Der Staat dürfe in "extremen Ausnahmefällen" den Zugang zu einem solchen Betäubungsmittel nicht verwehren. Das Gericht betonte jetzt, dass eine solche schwere Notlage nicht vorliege, weil eine zumutbare Alternative zur Selbsttötung mit Natrium-Pentobarbital auch für sie bestehe.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 26. Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung gekippt und ein weitreichendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben formuliert.

Christoph Arens/KNA

07.11.2023 - Medizin , Recht & Gesetz , Suizid